Auf der PREMIUM (2.–4. Juli 2019) zeigt Michael Michalsky seine zweite Kollektion als Kreativdirektor der Kultmarke JET SET. Anita Tillmann besuchte ihn in seinem Berliner Atelier und sprach mit ihm über Nostalgie, Millennials und die gemeinsame Liebe zu Berlin.
Anita Tillmann: Ich finde es sehr gut, dass du dich dazu entschieden hast, JET SET aus Berlin heraus zu steuern und die Marke von hier aus zu reaktivieren. Mit dem Thema Brand-Building kennst du dich aus – du hast unter anderem Adidas groß gemacht. Was ist dein Erfolgsgeheimnis?
Michael Michalsky: Ich lasse mich immer nur auf eine Marke ein, die mich zu irgendeinem Zeitpunkt in meinem Leben fasziniert oder berührt hat. Man kann nur gut sein, wenn man die Marke, für die man arbeitet, versteht und liebt. Sowohl Adidas als auch MCM, für die ich ja lange Jahre kreativ verantwortlich war, habe ich als Jugendlicher und junger Erwachsener geliebt, begehrt und bewundert. Bei JET SET ist das genauso. Ich kenne die Marke aus den 80er Jahren. Damals bin ich fast jeden Samstag zum JET-SET-Laden am Gänsemarkt gepilgert und habe mir am Fenster die Nase platt gedrückt, weil ich mir nie etwas leisten konnte. Ich fand es damals schon spektakulär, wie der Begriff ‚Sportswear‘ durch JET SET neu definiert wurde. Eigentlich ist die jetzt so beliebte Kategorisierung ‚Luxury Sportswear‘ eine Erfindung von Kurt Ulmer und JET SET.
A: Ich kann mich auch noch sehr gut daran erinnern… weiß allerdings nicht, ob das so gut ist (lacht). Für mich war JET SET immer Kult. Und auch deshalb bin ich sehr gespannt, wie die Kollektion für Frühjahr/Sommer 2020 aussehen wird, die ihr ja erstmals bei uns auf der PREMIUM zeigt.
M: Ich freue mich sehr auf die PREMIUM – auch, weil wir dort BLUE SYSTEM relaunchen werden. BLUE SYSTEM war früher das Denim-Label von JET SET – und hat auch heute noch viele Fans.
A: Wir können es kaum erwarten! Erzähl uns ein bisschen was über BLUE SYSTEM. Wie ist das Konzept dahinter? Wird es eine reine Jeanskollektion?
M: BLUE SYSTEM ist ab Frühjahr/Sommer 2020 fester Bestandteil jeder JET-SET-Kollektion. Es wird das Fundament und die Basis für all unsere saisonalen Konzepte. BLUE SYSTEM stand in der Vergangenheit immer für Innovation: Innovation in Design, Farbe, Finish und Schnitt – diese Tradition wollen wir fortführen. Neben den Jeans und Jeansjacken wird es wieder die legendären Logo-Tees und Logo-Sweats geben. Danach haben mich so viele Leute gefragt. Ich glaube, dass der Zeitpunkt für den Relaunch günstig ist, denn ich sehe bereits Anzeichen für ein Comeback von Denim.
A: Du bist dafür bekannt, dich immer stark mit kulturellen und gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen und lässt diese auch in deine Arbeit einfließen. Im Moment spüren wir in der Modebranche zwei große Bewegungen: Sustainability und Technology. Wie spiegeln sich diese bei JET SET wider?
M: Das sind beides sehr wichtige Themen für uns. Seit meiner ersten Kollektion Herbst/Winter 2019 ist JET SET pelzfrei. Außerdem gibt es Jacken aus recycelten Materialien. JET SET war und ist auch Ski-Wear-Marke. Allein deshalb wird von unseren Kunden bei den Produkten Funktionalität und Technologie erwartet. Deshalb arbeiten wir auch mit Top-Partnern wie Schoeller daran, die besten Performance-Fabrics zu entwickeln. Wir produzieren die Kollektion außerdem zu 100 % in Italien – auch das ist mir sehr wichtig. Nicht nur aus nachhaltigen Gründen. Die Fabriken hier kennen die Historie der Marke und damit den Qualitätsanspruch bis ins letzte Detail – das macht JET SET aus.
A: Die Qualität sieht und fühlt man. Ich liebe meine JET-SET-Bomberjacke!
M: Als JET SET 1969 gegründet wurde, haben sie damals Skisachen gemacht, die es so bisher nicht gab. Die ersten Sachen zum Beispiel waren aus Fallschirmseide aus recycelten Fallschirmen. Deshalb arbeite ich so gerne als Designer mit Teilen aus dem Archiv. Man findet unendlich viele Inspirationen und Ideen, die auch heute noch relevant sind.
A: Ist Nostalgie ein wichtiger Faktor für das Image der Marke? Und wenn ja, mit welcher Strategie sprichst du die Jugend an?
M: JET SET spricht auf der einen Seite Millennials an, weil die Marke für sie eine Neuentdeckung ist und sie sowohl den Namen als auch das Produkt cool finden. JET SET ist aber auch relevant für millennial-minded people – also Leute wie mich. Als ich in meinem Freundeskreis erzählt habe, dass ich Creative Director bei JET SET werden würde, habe ich von meinen Freunden haufenweise E-Mails, WhatsApps und SMS mit Fotos von alten JET-SET-Teilen bekommen, die sie heute noch in ihrem Kleiderschrank haben, weil sie die Marke und die Produkte so geliebt haben.
A: Apropos JET-SET-Teile von früher: Hast du das Logo neu entwickelt? Oder gab es das Design bereits?
M: Als allererstes habe ich mich durch die große Sammlung von JET-SET-Logos gewühlt. JET SET hat ja praktisch jede Saison das Logo geändert – besonders in den 80er Jahren. Deshalb bin ich gleich am Anfang direkt als Erstes nach Zürich ins Archiv gegangen und habe dort alles rausgeholt, was für meine Arbeit wichtig ist und habe die Sachen nach Berlin in unseren Creative Hub schicken lassen. Außerdem kaufe ich unglaublich viele JET-SET-Sachen bei Ebay, weil das Archiv durch den Besitzerwechsel leider nicht ganz vollständig ist.
A: Cool! Das Archiv in Zürich würde ich mir auch gern mal anschauen – da sind sicher tolle Schätze drin. Du hast dich trotz der Historie allerdings dafür entschieden, JET SET aus Berlin heraus zu steuern. Lass uns über unsere Lieblingsstadt sprechen. Aus meiner Sicht ist die Kombination aus Berlin und einem wirtschaftsstarken Deutschland (mit Österreich und der Schweiz zusammen) unschlagbar. Wer hier nicht sein Geschäft macht, handelt entweder mit einem Nischenprodukt oder hat es nicht verstanden. Wie siehst du das?
M: Ich glaub ich bin der Falsche, den du da fragst. Als ich mich entschieden hatte, Adidas zu verlassen und mich selbstständig zu machen, bin ich sofort nach Berlin gegangen – und da gab es hier noch gar keine Fashion Week. Ich veranstaltete meine allererste Fashion Show vor über 13 Jahren im Ehrensaal des Roten Rathaus – die Fashion Week gab es erst sechs Monate später. Ich habe das gemacht, weil ich die Vision hatte, dass es neben den etablierten Standorten einen geben muss, der Mode anders abbildet. Berlin ist das Herz Europas. Hier wird Mode interdisziplinär von Kunst und Musik befruchtet wie nirgendwo anders. Ich habe immer an Berlin geglaubt und tue es noch! Berlin ist immer im Wandel und Mode bedeutet Wandel. Für mich und meine Marke und den Creative Hub von JET SET gibt es keine bessere Location!
A: Eine letzte Frage für dich als Musikliebhaber: Wenn JET SET ein Song wäre, welcher wäre es?
M: Ein smartes, intelligentes Synthie-Pop-Lied. JET SET ist Pop!